Die erste Ausstellung von Ramón Nadal fand im “Salón de La Veda” statt, als dieser gerade einmal dreizehn Jahre alt war. Die Begeisterung der Kritiker und seine Verkaufserfolge waren so überwältigend, dass er bis zu seinem Ableben im Jahr 1999 nicht aufhörte zu malen und seine Werke auszustellen. Er wird in einem Atemzug mit den bedeutendsten Künstlern der Epoche genannt: Anglada Camarasa, Francisco Bernareggi, Tito Cittadini, Eliseo Meifrén, Roberto Ramaugé, Antoni Gelabbert, Lorenzo Cerdá…
Der Erfolg von Ramón Nadal ist möglicherweise in seiner Aufrichtigkeit und seinem hartnäckigen Bestreben sich selbst zu übertreffen begründet. Er ist vor allem ein ernsthafter Maler, der sich ausschließlich seiner Kunst widmete und jeder Ablenkung von außen aus dem Weg ging. So nahm er zum Beispiel niemals an Wettbewerben teil, da er der Meinung war, dass diese ihm der kostbaren Zeit berauben würden, die er seiner Malerei widmen sollte. Zum anderen verhalfen ihm die eiserne Disziplin, die Beständigkeit und Ausdauer, die er sich stets selbst abverlangte, zum Aufstieg in den Olymp der Kunstschaffenden. Seine Gemälde erreichten das höchste Niveau der Schönheit und Pracht. Denn die Werke von Ramón Nadal sind vor allem dies: Schön und kolossal. Seine lebendigen Landschaften aus dichtem und kräftigem Impasto zeigen die Natur der Insel in ihrer ganzen kraftvollen Pracht, wild und nahezu arrogant.
Obgleich er bei der figurativen Kunst und Porträtmalerei stets große Einfühlsamkeit erkennen ließ – ein Beispiel hierfür sind seine faszinierenden Zigeunerinnen, die an Nonell erinnern, und seine Stillleben ausgesprochen harmonisch sind, wird seine Malerei dennoch zweifellos durch die “Verherrlichung der Natur” geprägt und definiert, mit all ihren Formen und Orten, die er mit ungewöhnlicher Stärke und Dynamik auf die Leinwand bannt. Seine Pinselführung ist fest, mutig, energisch und entschieden und seine Farbpalette scheint dank seiner absoluten Beherrschung der Farben schier unendlich. Unter Anwendung seiner technischen Kenntnisse, seiner großen Gelassenheit und Einfühlsamkeit gelingt es Ramón Nadal ein wild wachsendes Gebüsch und zwei Stoppelfelder am Rande eines unwegsamen Pfades in eine majestätische Landschaft mit unermesslichem Nuancenreichtum zu verwandeln.
Als großer Künstler und im Einklang mit den edlen Gewohnheiten der impressionistischen und modernen Maler war Ramón Nadal nie ein Ateliermaler, der seine Inspiration aus Skizzen oder Fotographien gewann. Wie seine Vorgänger war er durch und durch ein Freilichtmaler, der seine Staffelei zwischen den engen Felsen der Sierra de Tramontana oder umgeben von Gräsern, Zweigen und Gestrüpp unter alten Olivenbäumen und verworrenen Feigenkakteen aufstellte.
Einige Kritiker haben ihn je nach Farbspektrum verschiedenen Etappen zugeordnet. Doch Ramón Nadal – ein Meister, der in stetigem Experimentieren begriffen war – folgte nicht immer einer linearen Entwicklung. Was ihn umtrieb war die Suche nach der überwältigenden Schönheit des Augenblicks und er hatte nie ein Problem damit Techniken und Stile seiner früheren Etappen hervorzuzaubern und anzuwenden.
Rein orientativ könnte man sagen, dass er während einer ersten Phase – in seiner Jugendzeit bis etwa 1940 – von den Einflüssen der akademischen Kunst und dem “Noucentisme” geprägt war.
Von 1942 bis Mitte der 50-er Jahre entwickelte er sich auf einer postimpressionistischen Linie, wobei seine umfangreiche Farbpalette eine klare Vorliebe für Grün- und Blautöne erkennen ließ und sein Pinselstrich ein kraftvolles Impasto auftrug. Ab der zweiten Hälfte der 50-er Jahre bis zum Ende seiner Tage zeichnete ihn in erster Linie der Wechsel seines Arbeitsgeräts aus; er ersetzte den Pinsel durch das Malmesser, wodurch seine Gemälde noch kräftigere Strukturen und größere Plastizität erlangten und die Konsistenz der Ölfarbe außergewöhnliches Volumen und Dichte erhielt. Die reliefartige Struktur der Ölpaste auf der Leinwand ist nur mit zwei anderen großen Künstlern der balearischen Landschaftsmalerei vergleichbar: Ferrán Arasa und Bernardino Celiá. Die Landschaften von Ramón Nadal strotzen vor kraftvoller Üppigkeit und ziehen den Betrachter ausweglos in ihren Bann. Das Werk des Künstlers wird zu einem intensiven, tiefgründigen und gewaltigen Spektakel, wie die Sinfonien von Brückner oder Mahler.
Obwohl Ramón Nadal beinahe ein Mann mit Lampenfieber war, der vor Menschenmassen floh und Preisen und Auszeichnungen praktisch mit Verachtung entgegenstand, wurde ihm 1952 die Ehrenmedaille des “Círculo de Bellas Artes” von Palma de Mallorca verliehen. Dieser Auszeichnung folgte 1955 der einzige Preis zum 50-jährigen Bestehens des “Fomento de Turismo”, die Ernennung zum Ehrenakademiker der Königlichen Akademie von San Sebastián von Palma de Mallorca (1964) und die Verleihung des Preises “Ciutat de Palma” im Jahr 1973. Glücklicherweise ist das Vermächtnis von Ramón Nadal umfassend und in angesehenen Institutionen und Kunstgalerien vertreten.
Ramón Nadal war vor allem ein ehrlicher und aufrichtiger Künstler, der die Schönheit seines Landes mit großer Einfühlsamkeit und Weisheit einzufangen und mit Liebe und Leidenschaft auf jedem einzelnen seiner Gemälde auszudrücken wusste.
Damián Verger Garau
Sachverständiger für Kunst und Antiquitäten / Kunstkritiker